Wieder eine Erscheinung

Kronburg i.T. - Frankfurt (25 km)

Frankfurt - Dreieichenhain (20 km)

 

   “Au, au, ihr lieben Menschen, ich warne euch vor. Heute wird es nicht so lang. Ich bin ganz schön kaputt. An den Tagen zuvor hatte ich sonst schon immer einiges “zu Papier“ gebracht, jetzt glänzt mir noch die leere Seite entgegen. Es ist kurz vor 19 Uhr und mir wachsen schon jetzt etwas die Augen zu. Aber der Reihe nach!

   Schon gestern Abend wusste ich, dass am nächsten Tag ein langer Weg ansteht. Also war frühes Aufstehen angesagt. Um 7 Uhr klingelt der Wecker. Richtiges Frühstück fällt heute aus.“

 

   Das war mein Text, den ich gestern noch schreiben konnte - dann stand meine Tochter im Zimmer!!! “Papa, ich gehe morgen mit!“ Und Sira nahm Anlauf, sprang zu mir ins Bett und leckte mich ab wie ein Himbeereis.

 

   Ich glaube, ich habe Anni angeglotzt wie eine Erscheinung. Während sie sich offensichtlich diebisch freute, dass ihre Überraschung so gut gelungen war, setzte bei mir kurzfristig Schnappatmung ein. Es ist nicht zu fassen, einmal stehen Basti, Flo und Amelie vor der Tür meines Weinfasses am Dreifelder Weiher, und jetzt ist mein Töchterchen hier. Eine Frau - im Mönchskonvent!!! Ich freue mich riesig, aber wie hat sie das gedeichselt? Ok, wo ich abends bin, konnte sie über den Blog herausfinden. Das Wochenende begann, das Wetter war schön, das Auto hatte sie sich von ihrem Bruder Florian geliehen, die Anreise war nicht allzu weit und relativ einfach. Die Voraussetzungen waren also günstig, trotzdem hätte ich im Traum nicht damit gerechnet.

   Mit den verschiedensten Mönchen hatte sie telefoniert, ob sie im Auto auf dem Konventparkplatz parken und im Wagen schlafen dürfte ... oder könnte sie vielleicht doch auch ein Zimmer haben? Die Mönche waren höchst unkompliziert und hatten nichts gegen den Besuch einer Tochter bei ihrem Papa einzuwenden. Alle zusammen bildeten sie sozusagen eine verschworene Gemeinschaft.

   Es war wieder zu schön: Ich mit Anni und Sira auf einem Zimmer, wie vor einem Jahr auf dem Jakobsweg. Dass ich mich dann nicht dem Blog widmete, dürfte klar sein. Viel schöner war es doch, spät abends Sira am Mainufer Gassi zu führen und die beleuchtete Frankfurter Skyline dabei zu bewundern.

   Aber jetzt eben doch kurz zum gestrigen Tag: Wie gesagt, offizielles Frühstück gab es nicht. Witts in Kronburg schliefen noch, als ich mich auf den Weg machte. Ich wusste, der heutige Weg würde kein leichter sein. Großstadtkilometer hieß es abzureißen - aber soooo schlimm war es gar nicht.

   Zunächst musste ich den E1 wiederfinden, etwas vor Kronburg hatte ich ihn ja verlassen. Ich musste nach Steinbach, das wusste ich. Navi sei dank, kam ich schnell dorthin und stieß tatsächlich auf den E1. Von nun an lag die Frankfurter Skyline vor mir, so ein klein wenig Manhattan, auf die ich geradewegs zulief. Nach der Unterquerung der A5 betrat ich Frankfurter Stadtgebiet, durchquerte die Nord-West-Stadt, verlor den E1 für eine Weile, ging mit dem Navi weiter, fand den E1 wieder, verlor ihn erneut, blieb aber immer auf direktem Weg ins Zentrum. Die Temperaturen stiegen, in den Parkanlagen lagen die Menschen auf den Wiesen und genossen den Tag.

   Kurz nach Mittag zog ich durchs Bankenviertel und in den Büros der Wolkenkratzer schien noch Pause zu sein. Die Belegschaften schlenderten umher oder hielten alle Plätze besetzt, die die Parkbänke boten. Man spürte, wie die Menschen diesen Frühlingstag genossen.

   Ich überquerte den Main, ging am Sachsenhausener Ufer entlang und stand um 14.30 Uhr vor dem Deutschherrenhaus an der Alten Brücke. Die Füße brannten nach 25 Kilometern Asphalt und ich war froh, dass ich angekommen war, angekommen bei den Brüdern des Deutschherrenordens, die ich vor ca. drei Monaten angerufen hatte, nachdem ich in der Jugendherberge von Frankfurt kein freies Bett mehr bekommen und auch in keiner anderen Low-Budget-Unterkunft dank irgendeiner Messe unterkommen konnte. Die Fraters gaben mir damals zu verstehen, dass ich ihnen willkommen sei.

   Ich klingelte an der Konventtür, Frater Julius öffnete mir mit freundlichstem Lächeln und führte mich auf mein Zimmer im Gästebereich - in den vierten Stock! Nach 25 Kilometern ist das kein Vergnügen, und mit dem Wheelie ein ganz spezielles.

   Jetzt wollte ich eigentlich ein kleines Nickerchen machen, mich von der Asphalttreterei etwas erholen. Aber ich brauchte noch eine Wanderkarte für die nächsten Tage und mein Lebensmittelvorrat musste auch ergänzt werden. Also nochmal aufraffen, duschen, “landfein“ machen und ab ins Zentrum. Und wenn ich schon mal im Zentrum war, musste ich natürlich am Dom, am Römer und bei der Paulskirche mal Hallo sagen. Die Touri-Info schickte mich tatsächlich in eine Buchhandlung am Kornmarkt, wo ich genau die richtigen Wanderkarten für die nächsten Tage bekam, einen ALDI fand ich im Frankfurter Vorort Sachsenhausen nach einigem Suchen und um 18 Uhr war ich wieder beim Deutschen Orden.

   Und um 18.15 Uhr lag ich im Bett und begann mit dem Blog. Der Rest: siehe oben!

 

   Der heutige Tag muss genau organisiert werden. Anni hatte schon im Vorhinein und per Internet alles geplant. Mit dem Wagen düst sie ohne langes Frühstück in 20 Minuten bis nach Dreieichenhain zum Naturfreundehaus, meinem nächsten Etappenziel. Von dort mit der S-Bahn zurück nach Sachsenhausen. Ich hüte in der Zwischenzeit Sira, frühstücke italienisch an einem Stehtisch vor einer Bäckerei und begebe mich dann zur S-Bahnhaltestelle, um Anni wieder aufzugabeln. Um 9 Uhr sind wir wieder vereint und ziehen gemeinsam los - wie damals. Für mich ein ganz bewegendes Gefühl.

   Wie sich herausstellt, hat sich Anni für ihren Besuch einen herrlichen Tag ausgesucht. Den ganzen Tag scheint die Sonne, das erste Mal gehe ich fast von Anfang an im T-Shirt. Die Strecke ist nicht zu lang und auch nicht anstrengend. Es dauert nicht lange bis zum südlichen Rand von Sachsenhausen und damit bis zum Stadtrand von Frankfurt, und sofort beginnt der Weg durch wunderschönen lichten Buchenwald. Das einzige, was etwas stört, sind die Flugzeuge, die nicht weit von hier auf dem Frankfurter Flughafen starten und in Zwei-Minuten-Abständen über uns hinwegfliegen. Wir umgehen Neu-Isenburg, kommen in den nächsten herrlichen Laubhochwald, sehen ein Rudel Rehe unter den Bäumen äsen, rasten auf einer Bank am Rand einer großen Waldwiese und merken kaum, wie die Kilometer und die Stunden vergehen. Wir sehen Golfer ihrem Vergnügen nachgehen und Reiter bei einem großen Pferdehof ebenso. Und ehe wir uns versehen sind wir in Dreieichenhain.

   Wir betreten den Ort auf seiner Schokoladenseite, durch ein hohes mittelalterliches Stadttor, an das sich die Ruinen einer alten Burg anschließen. Im Biergarten des benachbarten ehemaligen Fronhofes halten wir bei Kaffee, Kuchen und Cola Abschlussrast und genießen die Sonne, die uns heute schon den ganzen Tag verwöhnt. Um 16 Uhr sind wir am Naturfreundehaus - und da ist richtig was los.

   Von drinnen schallen die typischen Geräusche einer Fußballübertragung nach draußen. Der Fernsehkommentator brüllt, die Männer vor dem Bildschirm brüllen - die Frankfurter Eintracht spielt gegen Wolfsburg. Im Gastraum fließt das Bier und der Äppelwoi reichlich und vor lauter Zigarettenqualm ist bald nichts mehr vom Fernseher zu erkennen. Draußen im Biergarten sitzt eine weitere frohe Gesellschaft, denn ein Geburtstag wird gefeiert und Heinzi, der Wirt des Naturfreundehauses beendet heute seine aktive Laufbahn. Als eine seiner letzten Amtshandlungen führt er mich auf mein Zimmer, in dem drei Betten stehen, das ich aber allein nutzen kann. Er kassiert den Übernachtungsbeitrag, lädt mich aber zur Feier seines besonderen Tages zu Speis und Trank für den Rest des Tages ein.

   Ich bedaure sehr, dass Anni nicht noch bleiben kann, es wäre zusammen mit ihr bestimmt ein krönender Abschluss eines schönen Tages geworden. Als sie in den Wagen steigt und ich die Tür zuschlage und damit weiß, dass ich sie jetzt lange nicht sehen werde, schnürt sich wieder mein Hals zu. Ich mag diese Momente nicht.

   Nach dem unvermeidlichen Duschen und Kleidungswechsel setze ich mich nach draußen an einen der groben Holztische zu den anderen Gästen von Heinz, bekomme Schnitzel, Frikadellen und heiße Fleischwurst vorgesetzt und werde genötigt, alles mit Bier und Schnaps runterzuspülen. Die Laune aller Gäste wird immer bierseliger, auch wenn die Eintracht 1:2 verloren hat, unverdient natürlich und nur weil der Schiedsrichter bei zwei lupenreinen Toren Abseits gepfiffen hat, das Arschloch. Diese Schmach muss man natürlich schnell vergessen und deshalb: Prost, ihr Lieben!

   So langsam sehe ich den nächsten Blog auch den Bach runtergehen und rufe mich zur Ordnung. Außerdem weiß ich, wie krank ich morgens bin, wenn ich nicht die Kurve kriege. Klammheimlich mache ich mich davon und steige nochmal unter die Dusche, nicht schon wieder zur Körperreinigung, sondern um einen einigermaßen klaren Kopf zu kriegen. Dann setze ich mich hin und schreibe.

   Unten steigt die Stimmung immer mehr. Tolle Musik aus alten Zeiten wird aufgelegt. Soll ich nochmal runtergehen? Im Leben nicht!

 

28. März: https://drive.google.com/file/d/0B-YJDxFXEbWmOWUydnc3czdnUnc/

 

29. März: https://drive.google.com/file/d/0B-YJDxFXEbWmOTkwZjRGUTRRbGM/

 

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Lore (Sonntag, 30 März 2014 12:17)

    Hallo Warmduscher,
    hättest besser eiskalt und 2 x geduscht, damit Du nicht so einen Quatsch schreibst:
    >....weil der Schiedsrichter bei zwei lupenreinen Toten Abseits gepfiffen hat....<
    Mach weiter so, wir wollen ja was zu Lachen haben :-)

    Lore

  • #2

    opapilgertwieder (Sonntag, 30 März 2014 17:41)

    Man kann sich bei Lore aber auch nix leisten...

  • #3

    Lore (Sonntag, 30 März 2014 21:02)

    Ich darf ja auch nicht von den Leichen im Totenmaar erzählen.............

  • #4

    Der Kronprinz (Donnerstag, 03 April 2014 07:54)

    Hah! Geil Anni!!!


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