Besser DIXI - als in den Wald gesch...!

Lautertal-Reichenbach - Birkenau (23 km)

   Beim Frühstück in der “Traube“ fragt mich die freundliche Wirtin, wo ich denn gewesen wäre, als das Erdbeben war. Hä, Erdbeben? Vor vielen Jahren habe ich mal ein kleines miterlebt, aber das war bei uns in der heimatlichen Gegend, es war nachts und ich lag im Bett. Das kann sie ja wohl nicht meinen. Sie sieht meinen wenig geistreichen Blick und meint: “Vorgestern am frühen Abend hat doch die Erde gebebt, Stärke 2.8, gegen 17.30 Uhr, Zentrum soll die Gegend um Darmstadt und der Vordere Odenwald gewesen sein. Stand gestern auch in der Zeitung und im Fernsehen war es auch.“ Ich bin platt! Von einem Erdbeben habe ich aber auch überhaupt nichts mitbekommen. Ich glaube, zu dieser Zeit stand ich unter der Dusche. “Es gab einen dumpfen Knall und das Haus zitterte. Draußen schlugen Autotüren und Gäste kamen. Mein Mann ist sofort rausgerannt, weil er glaubte, die Leute wären mit ihrem Auto gegen unsere Gasthauswand gefahren. Aber die guckten auch nur ganz blöd. Im Radio haben wir es dann gehört.“ Also das ist ja ein Ding! Da bin ich praktisch mittendrin im Epizentrum eines Erdbebens und bekomme nichts davon mit.

   Heute bekomme ich wieder keine Chance, meinen Kreislauf ausreichend zu aktivieren. Direkt als ich von der Hauptstraße abbiege, geht es zur Sache. Nach fünf Minuten bereits bleibe ich das erstemal stehen und lausche meinem pfeifenden Atem. Na das kann ja noch heiter werden, denke ich mir, denn vor mir erhebt sich nahezu eine Wand, und mein Blick auf die Karte macht mir mehr als deutlich, dass das gerade nur der bescheidene Anfang war. So ziehe ich denn langsam, sehr langsam höher, zwinge mich, immer zwei Einheiten ein- und drei Einheiten auszuatmen (so soll man das wohl machen), stiere nicht stur auf den Boden, sondern mal rechts in den Wald oder mal links ins Tal (auch das soll man so machen), setze mir Zwischenziele, an denen ich kurz verschnaufe, und hangele mich so hoch. Nach genau einer halben Stunde habe ich den ersten Berg erklommen, habe aber nicht viel mehr als einen Kilometer geschafft. Wagner, stöhne nicht, du wanderst ja nicht in der Mark-Brandenburg! Es wird noch schlimmer kommen!

   Das Wetter ist wieder grandios. Blauer Himmel überall, die Luft ist zu dieser frühen Zeit noch angenehm frisch und ein leichter Wind macht sich daran, meinen Schweiß zu trocknen. Wie zur Belohnung führt nun der Weg immer leicht abfallend in ein kleines Bachtal hinab und ich erwische mich bei dem Gedanken, dass Wandern in der Mark-Brandenburg auch eine schöne Sache wäre. Schnell werde ich wieder auf den Boden der Tatsachen geholt, denn kaum habe ich den Bach überschritten, geht es erneut und unbarmherzig aufwärts. Was die Sache nicht ganz so schlimm macht, ist die Tatsache, dass die Waldwege hier sehr wheeliefreundlich sind: breit, gute Befestigung und guter Belag, keine querliegenden Bäume, kein Geröll, keine Baumwurzeln. Der Wheelie rollt! Überhaupt stelle ich fest, dass der Wald hier im Odenwald sehr aufgeräumt ist, hauptsächlich Laubwald, viel Buche, wenig Unterholz. Ich kann praktisch unter dem Wald hindurch ins Tal sehen, sehe von meinem Weg aus andere Wege und die Sonnenstrahlen, die problemlos den Waldboden erreichen.

   Dennoch schnaufe und pfeife ich wieder hoch, beneide den älteren Herrn, der auf seinem E-Bike locker-flockig an mir vorbeiradelt und beschließe, dem Hersteller meines Wheelies einen Verbesserungsvorschlag zu machen. Wenn es E-Bikes gibt, warum soll es dann keine E-Wheelies geben, die ihre Herrn und Meister noch zusätzlich den Berg raufdrücken? Das wäre doch mal eine bahnbrechende Erfindung...

   Nachdem ich auch den zweiten Berg ohne körperliche Schäden bezwungen habe, beginnt das Odenwald-Genusswandern. Ich schwinge mich über wenige Höhenmeter auf und ab, habe weite Ausblicke in die Täler mit ihren kleinen, wie hingetupft wirkenden Örtchen und auf die gegenüberliegenden Höhenzüge und kann mich nicht sattsehen an den großen Wiesen mit ihren Löwenzahnteppichen und den blühenden Obstbäumen. Man merkt eben, dass die Bergstraße, am westlichen Rand des Odenwalds zur Rheinebene hin, nicht weit ist. Dort sollen die Obstbäume, und speziell die Apfelbäume, ja meist die ersten sein, die in Deutschland Blüten treiben. Immer wieder mal wird die tiefliegende Rheinebene auch für kurze Momente für mich sichtbar, mit ihren ineinander übergehenden Städten, Schnellstraßen und Autobahnnetzen, mit ihrem Lärm und mit der Hektik. Ich möchte im Moment nicht tauschen.

   Nur zwei Mal komme ich für wenige Meter an Stellen, wo vor einigen Tagen noch Forstmaschinen tätig waren. Bei Nässe wäre das wohl wieder ein Problem, aber jetzt ist alles trocken und knochenhart. Es hat ja auch schon einige Tage lang nicht mehr geregnet und viele Sonnenstunden erfreuen den Wandersmann. Allerdings habe ich heute auch schon eine Überschrift in einer lokalen Zeitung gelesen, die vor Waldbrandgefahr warnt. Man stellt sich so etwas immer nur im Hochsommer vor, aber wenn ich mir das zundertrockene Laub in den Wäldern ansehe, kann ich mir gut vorstellen, was eine weggeworfene, noch brennende Zigarette für Auswirkungen haben könnte. Nicht auszudenken: Erdbeben UND Waldbrand!

   Bei meiner ausgiebigen Rast in einem Biergarten auf der Juhöhe gönne ich mir eine Tagessuppe, die dann irgendwie als gut gesalzene Nudelsuppe daherkommt. Aber sie schmeckt, und bei den Litern, die ich in den letzten Tagen schon geschwitzt habe, kann das zum Ausgleich meines Salzhaushalts gar nicht schlecht sein. Gegen den Ausgleich meines Durstes würde ich jetzt allerdings gerne zu den großen Biergläsern greifen, aber ich bin ja vernünftig. Trinken ja, aber jetzt Bier wäre für mich absolut kontraproduktiv. Genauso, wie ich mir jetzt keine fettige Mahlzeit einverleiben könnte. Nach einem Kilometer würde ich es bitter bereuen, einer guten Köchin in die Arme gelaufen zu sein. Was wäre ich für ein Hobbywanderer! Schlage mir den Wanst voll wie Cäsar im alten Rom. Doch während der auf seiner Chaiselonge liegen bleiben und sich den Bauch kraulen lassen konnte, krabbel ich wahrscheinlich wie ein fluglahmer Maikäfer durch den Odenwald.

   Die Rast auf der Juhöhe mit dem weiten Ausblick auf die schöne Landschaft hat gutgetan. Blendend gelaunt und in bester Verfassung mache ich mich an das letzte Drittel der heutigen Etappe. Der Weg von der Juhöhe bis nach Birkenau ist ein beständiges leichtes Bergab, ohne Mühe, ohne einen Schweißtropfen, einfach nur herrlich. ... wäre es gewesen, wenn mein Verdauungstrakt nicht auf einmal angefangen hätte rumzuspinnen. Zuerst nur leicht, doch dann immer drängender. Vermehrt schaue ich auf die Karte. Wie weit ist es noch? Schaffe ich das noch? Ich könnte ja auch... Klopapier habe ich im Wheelie, aber gaaanz unten drin. Warum überhaupt? Klare Fehlplanung! Das gehört doch in den Rucksack, für alle Fälle. Und jetzt ist “alle Fälle“! Wenn man ja nicht so bequem wäre, einfach rein in den Busch und...

Und jetzt geschieht etwas, was nur schwer zu glauben ist. Aber es ist wirklich so, und ich kann das mit einem Foto beweisen. Direkt neben dem Weg, mindestens drei Kilometer fern von jeder Zivilisation, am Waldrand - steht ein DIXI-Klo! Das kann jetzt nicht wahr sein, oder? Das könnte meine Chance sein. Aber warum steht das Ding hier? Für Waldarbeiter? Ich höre und sehe nichts von ihnen. Ein schöner Gruß vom Odenwaldclub für den notleidenden Wanderer? Ich wage es kaum zu glauben. Fast ehrfürchtig nähere ich mich dem blauweißen Kunststoffhäuschen, fasse an den Türgriff... und die Tür geht auf! Drinnen alles picobello sauber und geruchsneutral. Ich renne zu meinem abgestellten Wheelie, krame in Windeseile das Klopapier aus den Tiefen der Wheelietasche, schlage die Tür hinter mir zu... und fünf Minuten später geht ein beschwingter Wanderer Birkenau entgegen. Das glaubt mir keiner - oder eventuell doch?

 

 Zur Karte: https://drive.google.com/file/d/0B-YJDxFXEbWmU0NBWkxVdXBsSTA/

 

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Lore (Mittwoch, 02 April 2014 20:24)

    Hallo Reinhard,
    grundsätzlich glaub ich Dir das mit dem Dixi-Klo ja. Aber, die Etappe, die Du hier beschreibst (ich lese sie abends am 2.4.) ist doch die Etappe vom 1.4., wie ich gerade recherchiert habe. Und am 1. April, da stimmt nicht alles, was man so liest. Also habe ich bzgl. Dixi-Klo dann doch so meine Zweifel.
    Das Erdbeben war aber echt, sogar 3,2 auf der Richter- Scala.
    Liebe Grüße
    Lore

  • #2

    Christel (Donnerstag, 03 April 2014 07:49)

    Hallo lieber Reinhard, ich weiß, wer das Dixi-Klo dorthin gestellt hat: der April-Mann. Den hast Du doch sicher in Schule und Familie schon öfter erlebt, oder?
    Liebe Grüße
    Christel

  • #3

    Lore (Donnerstag, 03 April 2014 14:40)

    Euch allen zum Verständnis:
    Als ich am 2.4. um 20.00 Uhr den Blog gelesen hab, fehlte ein Eintrag am 1.4.
    Reinhard hatte unter dem Datum 2.4. aber die Etappe vom 1.4. beschrieben.
    Als ich später nochmal schaute, hatte der Dixi-Eintrag das Datum 1.4. bekommen und ein neuer Bericht vom 2.4. war im Netz.
    Alles klar jetzt? Oder ganz und gar unverständlich?
    Lore

  • #4

    Der Kronprinz (Donnerstag, 03 April 2014 17:35)

    Also das mit dem Erdbeben ist mal wieder typisch Vatter!!!


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