Jugendherbergen in die Täler!!!

Dobel - Forbach (28 km)

   Und ich habe schon an den Jugendherbergen gezweifelt! Nichts war los in Montabaur, Darmstadt oder Pforzheim. Ruhe auf allen Fluren. Hier in Forbach stimmt wieder alles. Tobende Kinder, ein wenig gestresste Lehrer, Geschrei, Flurgerenne, Türenschlagen, abtrocknende Kinder in der Küche, ein Kühlschrank mit Bier im Leiterzimmer. So liebe ich das!

   In Dobel ist es heute früh knackig kalt. Die Sonne und der blaue Himmel verleiten mich dazu, mir nur die Fleecejacke anzuziehen. Aber hallo! Auf über 700 Metern Meereshöhe kann es morgens um 7.30 Uhr, als ich mein Pilgermoped aus der Garage hole, schon noch kalt sein. Das einzig hilfreiche Mittel ist jetzt Bewegung. Ich düse von der Haustür an los, als wäre der Teufel hinter mir her.

   An der Bushaltestelle an der Hauptstraße steht ein ganzes Rudel Schüler, die auf ihren Bus warten. Tja, ihr Lieben, das habe ich hinter mir. Ich wünsche im Geheimen einen lehrreichen Tag und gehe grinsend an ihnen vorbei. Zwischen Kurhaus und Kindergarten steht das “Sonnentor“, Dobels Portal für den Westweg. Muss ich jetzt bei jedem Etappenort mit solch einem "Portal" rechnen? Hielte ich für ein wenig übertrieben.

   Das Schöne am Etappenort Dobel ist seine Höhenlage. Viel höher kann es jetzt erstmal nicht gehen. Und so ist es auch. Ohne nennenswerte Höhenunterschiede geht es dahin. Die Wege sind breit, hervorragend befestigt und wheelietauglich, der Wald ist dicht und schattig, und es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Lichtstrahl der Sonne bis auf den moosigen Waldboden durchdringen kann. Es wäre heute eine irgendwie dunkle Wanderung geworden, wenn Tornado Lothar nicht gewesen wäre. So groß der Schaden für den Wald und die Forstwirtschaft auch war, für den Wanderer hat es auch sein Gutes. Seitdem gibt es an vielen Stellen zahlreiche Aussichten. Weit hinunter ins Rheintal, zu den Vogesen, zum Odenwald, ins tief eingeschnittene Murgtal. Wieder mal bin ich zur richtigen Zeit unterwegs, denn Sonne und blauer Himmel passen besser dazu als Regen und Nebel.

   Für alle, die es nicht wissen, hier ein kleiner Exkurs in Sachen Westweg. Er ist rund 285 Kilometer lang und überwindet dabei etwa 10.000 Höhenmeter. Es war im Frühjahr 1900, als Phillip Bussemer aus Baden-Baden und Julius Kaufmann aus Lahr für den Badischen Schwarzwaldverein den ersten Höhenweg erkundeten. Als sie im Herbst schließlich stolz vermeldeten, dass die Vormarkierung abgeschlossen sei, war der erste deutsche Fernwanderweg von Pforzheim nach Basel begehbar. Seinen Namen Westweg erhielt er erst später. Er ist der westlichste von insgesamt drei Höhenwegen des Schwarzwaldvereins, die den Schwarzwald von Nord nach Süd durchqueren.

   Den Zusatz Höhenweg trägt der Westweg zu Recht, ich werde es noch bestätigt bekommen. Er verbindet die höchsten Gipfel des Schwarzwalds miteinander - insgesamt 10 Gipfel über 1.000 Meter. Fast ohne es zu merken, knacke ich heute beinahe den ersten, aber nur fast.

  Wer wandert, muss rasten. Daran hat der Schwarzwaldverein mit seinen verschiedenen Ortsgruppen sehr wohl gedacht. Ruhebänke in großer Zahl, Rasthütten und Aussichtspavillons fast alle vier bis fünf Kilometer. Heute sind es die Weithäuslehütte, die Schweizerkopfhütte, die Langmartskopfhütte, die Kreuzlehütte und die Prinzenhütte. Beim sanften Abstieg zwischen der Langmartskopfhütte und der Kreuzlehütte kommt mir ein Radfahrer entgegengekeucht. Zehn Meter von mir entfernt geht er aus dem Sattel und ruft mir zu: “Stop! Nicht weiter!“ Er umkreist mich und mein Wheelie und ist offensichtlich begeistert. “Na sagen Sie mal, da haben Sie aber ein tolles Fahrzeug! Haben Sie das selbstgemacht?“ Als ich verneine, will er wissen, wo man sowas bekommt. Er würde sich gerne “so ein Teil“ zum Einkaufen anschaffen, diese kleinen Dinger, die man so mit der Hand hinter sich herschiebe, seien ihm zu blöd. Als ich ihm den Preis nenne, bläst er die Backen auf und setzt sich schnell wieder auf sein Fahrrad.

   Über einen Holzbohlensteg gehe ich durch das Hohloh-Hochmoor am Rand des Hohlohsees entlang, der unter strengstem Naturschutz steht. Und nur wenige hundert Meter weiter, wäre es bald soweit gewesen und der erste 1000-Meter-Gipfel wäre fällig gewesen. Auf der ringsum bewaldeten Kuppe Hohloh steht auf einer Meereshöhe von 998 Metern der 1897 vom Schwarzwaldverein als Aussichtsturm errichteter Kaiser-Wilhelm-Turm. Aufgrund des hohen Baumwuchses wurde er 1968 um sechs Meter erhöht und misst jetzt 28,6 Meter. Ich hätte also nur den Turm heraufklettern müssen, dann hätte ich die 1.000 Meter schon heute locker geschafft. Aber ehrlich gesagt, ich war zu faul.

   Vom Aussichtsturm fällt nun der Westweg ins Murgtal nach Forbach hinab. Am “Murg-und Rheintalblick“ mag ich kaum glauben, dass ich DA noch runter muss. Ich erinnere mich, wie Holger und ich vor 35 Jahren hier standen und einen Düsenjäger durch das Tal rasen sahen. Wir schauten von oben auf ihn hinab. Jetzt muss auch Wheelie wieder mal eine seiner ganz harten Bewährungsproben bestehen. Ein schmaler und äußerst steiler Serpentinenweg, voll mit dickem Geröll und Baumwurzeln, schlängelt sich immer weiter nach unten und fordert von uns beiden alles. Ein richtiger Knie- und Radknacker!

   Je tiefer ich komme, umso mehr muss ich daran denken, dass meine Unterkunft, die Jugendherberge von Forbach, natürlich nicht im Ort liegt, sondern noch zwei Kilometer auf der anderen Seite wieder den Berg hoch. Hinzu kommt, dass sie nicht in Fortführung am Westweg liegt, so dass man sagen könnte, jetzt hast du schon mal etwas vom morgendlichen Pensum geschafft. Nein, sie liegt in der entgegengesetzten Richtung. Das ist doch Zankerei!

   Hilft ja nix! Bei NETTO am Bahnhof kaufe ich noch ein paar Lebensmittel und schleppe mich dann auf der anderen Seite den Berg hoch. Die örtliche Bebauung liegt lange hinter mir, da ist von der Jugendherberge immer noch nichts zu sehen, dafür gibt es Hinweisschilder, das beruhigt. Kurve um Kurve geht es auf einer kleinen Straße in den Wald und höher und höher. Was können zwei Kilometer lang sein...

   Endlich sehe ich die kleine Waldjugendherberge vor mir und höre Kinderstimmen. Immer noch schwer atmend trete ich ein und laufe auch schon der Herbergsmutter in die Arme. Schnell erledigen wir die Formalitäten und sie gibt mir meinen Zimmerschlüssel. Ich schnapp mir meinen Wheelie und kutschiere ihn den langen Flur entlang.

   “Ach ja“, ruft die Herbergsmutter hinter mir her, “an ihrem Schlüsselbund ist auch der Schlüssel für die Haustür, falls Sie heute nochmal in den Ort wollen.“ - Geht's noch???

 

Zur Karte: https://drive.google.com/file/d/0B-YJDxFXEbWmTTRMbWJqb1NaYUk/

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Der Kronprinz (Donnerstag, 10 April 2014 09:43)

    Aha! Erste Ermüdungserscheinungen!!!


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