Grenzübertritt

Kandern - Basel (30 km)

   Hach, ich bin ja doch etwas platt! 30 Kilometer machen sich schon bemerkbar. Und das bergauf, bergab und vor allen Dingen einmal quer duch Basel. Danach noch Geldwechseln, Einkaufen, nach zukünftigen Übernachtungsmöglichkeiten schauen und buchen - lange Rede, kurzer Sinn: Heute bin ich spät dran, jetzt schon etwas müde, deshalb fällt der Bericht ein wenig kürzer aus - denke ich.

   Einen Sonnen-Ostertag gab es nur gestern. Der heutige Ostermontag beginnt grau und regnerisch. Es ist die Art von Regen, die die Bauern im weiten Umfeld herbeisehnen: Landregen. Mir ist es eigentlich egal. Wenn schon Regen, dann ein solcher und am heutigen Tag. Zum einen ist der Regen so leicht, dass nur mein Regenschirm nass wird, zum anderen ist die Strecke so unspektakulär, dass er lieber heute fallen soll, als an Tagen, wo man ihn überhaupt nicht gebrauchen kann.

   Da ich weiß, dass es ein langer Weg wird, schenke ich mir heute auch wieder unnötige Schlenker, gehe im Tal oder am Hang entlang, obwohl der Westweg mich lieber über die Höhen des Markgräfler Landes schicken möchte, gehe einen relativ geraden Forstweg, wo der Schwarzwaldverein den Weg schlangenförmig auf engen, holprigen Pfaden durchs Unterholz markiert hat.

   Von Kandern an wird erstmal wieder “Strecke gemacht“. Die Landstraße nach Hammerstein ist da gerade richtig. Auf der Straße ist, wahrscheinlich wegen des Feiertages, kaum Verkehr, eine ganze Zeit lang verläuft daneben ein Radweg, den ich nutzen kann, und nach drei Kilometern ist der Drops bereits gelutscht. Dass ich dann doch meinen Kreislauf fordere und von Hammerstein an zusammen mit dem Westweg den Hang hochziehe, hat seinen Grund einfach darin, dass ich gerne durch kleine Dörfer gehe, und Egisholz und Wollbach sind zwei davon. Enge, gewundene Straßen, alte Häuser aus Bruchstein oder Fachwerk, die kleine Kirche im Zentrum, oft von alten Bäumen umgeben, kleine Brunnen, (manchmal zu sehr) gepflegte Vorgärten, Nachbarn auf der Straße beim Tratschen.

   Dann für ein paar Kilometer wieder hoch in den Wald. Jogger sind unterwegs, Spaziergänger, Radfahrer, mehr als in anderen Gegenden. Schnell kommt die Erklärung: Der Wanderparkplatz, der, mitten im Wald gelegen, vom Tal her einfach zu erreichen ist, ist randvoll mit Autos. Schnell mal hierhin fahren, Auto abstellen, ein bis zwei Stunden sich bewegen, dann wieder nach Hause fahren und den Feiertagsbraten verdrücken.

   ICH verdrücke zum Mittagessen ein Stück Apfelkuchen im Biergarten der Burgschänke an der Burgruine Rötteln. Sie ist mit einer Ausdehnung von 300 m eine der größten Burganlagen Süddeutschlands und mit ihren zwei mächtigen Türmen das Wahrzeichen der Stadt Lörrach. Es regnet immer noch leicht, deshalb habe ich den Biergarten für mich allein. Ich sitze in einem kleinen überdachten Bereich unmittelbar vor der Selbstbedienungstheke und höre mit, wie sich das Personal über mangelnde Kundschaft beklagt. Ostermontag, Mittagszeit und dann kaum was los?

   Kurz nach der imposanten Ruine unterquere ich die A 98 und habe von da an für eineinhalb Stunden die langgezogene Kreisstadt Lörrach neben mir im Tal liegen. Wieder gehe ich nicht westweggemäß über den Kamm des Höhenrückens, aber von dort oben sähe man Lörrach nur noch etwas tiefer im Tal liegen. Dafür sehe ich aber einige Prachtvillen von etwas betuchteren Lörrachern. Und manche von diesen kleinen Behelfsheimen sind sooo hässlich! Architekten und Bauherren, die so etwas hinstellen, müssten eigentlich wegen Verschandelung von Stadt und Landschaft bestraft werden.

   Auf der Tüllinger Höhe treffe ich wieder auf den Westweg und hier oben verstehe ich, warum der westlichste der Schwarzwaldhöhenwege diesen Punkt berührt. Tief unten liegt Basel vor mir wie auf dem Präsentierteller, im Hintergrund die Ausläufer der Berge des Schweizer Jura, im Westen die Ausläufer der Vogesen. Von hier oben sehe ich auch, dass Basel eine recht große Stadt ist, die ich gleich noch von Norden nach Süden durchqueren muss. Denn was haben wir schon mal gelernt? Jugendherbergen liegen immer am entgegengesetzten Ende einer Stadt. Nur diesmal ist es keine Jugendherberge, sondern ein Backpacker-Hostel. Also denn mal los zur längsten Stadtdurchquerung seit Frankfurt!

   Sang- und klanglos vollzieht sich der Grenzübertritt. Hätte ich nicht zufällig auf die Karte gesehen, ich hätte es nicht gemerkt. Das Flüsschen Wiese, das am Feldberg entspringt, bildet hier für einige Kilometer den Grenzfluss, und als ich die Wiese auf einer Brücke überquere, bin ich also in der Schweiz. Ein neues Kapitel meiner langen Wanderung beginnt, ohne dass das alte beendet ist. Der Westweg endet erst am Baseler Badischen Bahnhof, und bis dahin sind es noch sechs Kilometer.

   Vier davon ziehen sich jetzt auf dem Wiesedamm-Panoramaweg entlang, immer geradeaus der Wiese folgend. Und auf diesem Panoramaweg ist richtig was los! Die üblichen Verdächtigen drängeln sich nahezu bei ihrer Ostermontag-Mittagessen-Verdauungsaktivität: Jogger, Spaziergänger mit und ohne Hund und Radfahrer mit und ohne Kind.

   Irgendwann bin ich am großen Badischen Bahnhof auf der “schäl Sick“ von Basel, in Kleinbasel. Der Badische Bahnhof ist praktisch die Endstation für die Deutsche Bahn. Ein Zug von z.B. Köln nach Basel endet hier im Badischen Bahnhof. Genau hier endet aber auch der Westweg. Exakt zwei Wochen lang war ich auf ihm unterwegs, habe ihn, bis auf wenige Ausnahmetage, bei herrlichstem Wetter genießen dürfen. Er ist aber auch anspruchsvoll und ich bin froh, seinen Anforderungen gewachsen gewesen zu sein.

   Weiter geht's! Mitten durchs Messe- und Geschäftszentrum zum Rhein. Nicht weit von hier knickt er nach Norden in die Oberrheinische Tiefebene ab, und ebenso nicht weit von hier ist auch das Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz. Von der alten Mittleren Brücke, geschmückt mit den Fahnen der Schweizer Urkantone, schaue ich auf den Altstadtbereich mit dem Baseler Münster. Am Rathaus vorbei erreiche ich, so langsam mit runden Füßen, den Schweizer Bahnhof, neben dem Badischen Bahnhof der zweite wichtige Bahnhof Basels.

   Und nochmal zwei Kilometer weiter bin ich endlich da: Basel-Backpacker. Das wurde jetzt auch Zeit, mir brennen die Füße wie Magnesiumfeuer. Als ich mir auf meinem Zimmer die Schuhe von den Füßen schäle, fällt mir ein, dass meine Lebensmittelabteilung nichts mehr für mich bereithält. Also nochmal raus und rein in den kleinen Laden nicht weit vom Hostel, der sogar am heutigen Feiertag aufhat. Die Preise hauen mich um. Drei Sachen habe ich gekauft: Käse, Margarine und Joghurt, und von allem nicht viel, aber vom gleichen Geld hätte ich in Deutschland auch essen gehen können.

 

Zur Karte: https://drive.google.com/file/d/0B-YJDxFXEbWmVThWcU1KQTNxdDA/

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Die Pilgertochter (Dienstag, 22 April 2014 08:47)

    Pah! Da ist der Vatter doch schon wieder von Zuhause bis ans Ende Deutschlands gewandert... Ich kann's immer noch nicht ganz begreifen...

  • #2

    Sebastian (Dienstag, 22 April 2014 12:19)

    Und ich erst! Bin gestern auch 10km gewandert!!

  • #3

    Der Kronprinz (Mittwoch, 23 April 2014 17:15)

    Krass. Is der Bekloppte bis inne Schweiz gelatscht...


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