Petersdom und Testimonium

   Uff! Je nachdem, wie man so drauf ist, ist ja nichts anstrengender als so ein Städtetripp. Und im Prinzip mache ich jetzt ja nichts anderes. Mit einem Unterschied wohl: Der Otto-Normal-Tourist holt sich nicht in der Sakristei des Petersdoms ein Testimonium für die erfolgreiche Abwicklung seines Besichtigungsprogramms von Rom ab. Das ist nun glücklicherweise immer noch den Pilgern vorbehalten.

   So gehen Marion, Antonella und ich nach einem unglaublich späten Frühstück (8 Uhr!) von Trastevere wieder Richtung Vatikan. Vor dem Petersdom angekommen hat der Pilger, der sich sein Testimonium (offiziell "Testimonium peregrinationis peractae ad limina Petri") abholen möchte, zwei Möglichkeiten: Entweder er reiht sich ein in die lange Schĺange der Touristen, die über die rechte Kolonadenseite in den Dom hinein möchten, um dann irgendwann später von drinnen zur Sakristei zu gelangen, oder man geht links an der riesigen Kathedrale vorbei, überzeugt die dort wachenden Soldaten der Schweizergarde davon, dass es sehr nett wäre, einen direkt zu dem Sakristeigebäude durchzulassen, das größer ist als manche Kirche und mit seiner Kuppel auch genauso aussieht. Zur Charmeoffensive bei den Gardisten lasse ich Antonella und Marion vor - und ruckzuck sind wir an den Jungs vorbei, die mich mit ihrer bunten Uniform immer ein wenig an Kanarienvögel erinnern. Weitere Wachhabende weisen uns den Weg zu einer Art Büro, wo wir Personal- und Pilgerausweis vorzeigen müssen und daraufhin einen Besucherausweis erhalten, den wir uns an die Brust heften. Entsprechend ausgerüstet schickt man uns zum Eingang der mächtigen Sakristei.

   Auch hier müssen wir bei einem Offiziellen vorsprechen, der sich sofort ans Telefon klemmt und drei Pilger meldet. Dann heißt es: Warten. Schwarz gekleidete Priester und Nonnen huschen schweigend an uns vorbei den prunkvollen Gang hinunter und wenn sie sich über unsere lockere und bunte Sommerkleidung an diesem Ort wundern, so zeigen sie es nicht, sondern lächeln uns freundlich zu. Wahrscheinlich lungern hier öfter Pilger rum.

   Nach zehn Minuten etwa kommt ein relativ junger Priester, begrüßt uns nett, beglückwünscht uns dazu, dass wir diesen langen Pilgerweg auf uns genommen und unser Ziel nun erreicht haben und lässt sich unsere Pilgerausweise aushändigen. Er bittet uns um etwas Geduld und ist wieder weg. Weitere zehn Minuten später kommt er mit unseren Pilgerausweisen und den Pergament-Testimonien (incl. großem Briefumschlag) zurück, überreicht sie uns feierlich, wünscht uns noch einen schönen Aufenthalt in Rom und verabschiedet sich. Damit ist auch dieser besondere Moment unserer Pilgerreise vorbei.

   Für heute trennen sich nun die Wege von Antonella, Marion und mir. Jeder hat jetzt so sein eigenes Programm. Antonella war erst vor wenigen Wochen im Petersdom, Marion möchte ihn mit ihrem Mann, der sie von Rom abholt, gemeinsam besuchen. So gehe ich alleine in dieses gewaltige Bauwerk, bin überwältigt von der Größe des Inneren und von dem Prunk. Mein Wanderführer sagt, dass es hier alleine rund 800 Säulen und 390 Riesenstatuen aus römischem Travertin, Carrara-Marmor, Stuck und Bronze sowie mehr als 40 Altäre gibt. Ich werde es nicht nachzählen, aber es wird wohl stimmen. An vier Stellen im Dom drängen sich die Menschen besonders: an Michelangelos Pieta, vor dem Papstaltar direkt unter der gewaltigen Kuppel und über dem vermeintlichen Grab des hl. Petrus und seinem grandiosen Baldachin und - seit neuestem - vor den neu eingerichteten Grabmälern der erst vor wenigen Wochen heiliggesprochenen Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II.

   Ich steige hinunter zur Krypta mit den Grabmälern vieler weiterer Päpste und anschließend hinauf zur Kuppel. Direkt unter mir liegt der Petersplatz mit seinen Kolonnaden, die Prachtstraße Via della Conciliazione, die Engelsburg und der Tiber, die Vatikanischen Gärten, die Vatikanischen Museen und der Papstpalast - und ganz Rom. In den nächsten beiden Tagen werde ich zwischen diesen Häusern noch manchen Meter zu Fuß zurücklegen.

   Auf dem "Heimweg" zur Herberge in Trastevere gehe ich vorbei an der Engelsburg, der Piazza Navona, dem Pantheon, dem Palazzo Farnese und der schönen Kirche Santa Maria in Trastevere. Die Temperaturen liegen am Nachmittag bei 35ºC und ich bin heilfroh, als sich um 15 Uhr wieder das Tor öffnet und ich nach dem Touristengewühl der letzten Stunden in die Ruhe der klosterähnlichen Herberge eintauchen kann. Duschen, Ausruhen, Lesen, Schreiben, Sich-Unterhalten mit neu ankommenden Pilgern oder mit denen, die auch gestern schon hier waren. Auch Antonella und Marion treffen von ihren Touren wieder ein.

   Abends nochmal das bewegende Ritual der Fußwaschung, das keinen der Anwesenden unberührt lässt. Dann das gemeinsame Abendessen mit viel Erzählen, viel Lachen, aber auch dem Wissen, dass das ab morgen alles der Vergangenheit angehören wird.

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Die Pilgertochter (Samstag, 05 Juli 2014 13:51)

    Wenn ein Abschnitt im Leben zur Vergangenheit wird, ist Platz für die Zukunft. Und das ist doch auch was schönes!


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